Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verbinden Informationssicherheit zunächst mit großen Organisationen oder Konzernen, die über umfangreiche IT-Abteilungen verfügen. Der Gedanke, ein komplettes Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) einzuführen, wirkt daher schnell überfordernd. Meine Praxiserfahrung zeigt: Informationssicherheitsmanagement ist auch für KMUs sinnvoll und lässt sich mit überschaubarem Aufwand einführen.
Was ist Informationssicherheit?
Oft wird Informationssicherheit fälschlicherweise mit IT-Security gleichgesetzt. IT-Security beschäftigt sich in erster Linie mit technischen Schutzmaßnahmen wie Firewalls, Spamfiltern oder Antivirensoftware. Diese Maßnahmen sind wichtig, reichen aber allein nicht aus.
Informationssicherheit geht deutlich weiter: Sie betrachtet neben der Technik auch organisatorische, rechtliche und menschliche Faktoren. So gehört etwa die Frage, wer Zugriff auf bestimmte Daten hat, oder ob Mitarbeitende regelmäßig geschult werden, genauso zur Informationssicherheit wie ein aktueller Virenschutz. Ziel ist es, die drei Grundwerte zu schützen: Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Informationen – unabhängig davon, ob diese digital oder analog vorliegen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein mittelständischer Automobilzulieferer hat moderne Firewalls und Virenscanner im Einsatz. Dennoch können Patente und andere vertrauliche Daten geklaut werden: Bei Betriebsführungen liegen oft Unterlagen offen herum und können heimlich abfotografiert werden. Technisch ist alles abgesichert – aber die fehlende Sensibilisierung der Mitarbeitenden führt zum Risiko. Erst durch die Einführung von Awareness-Trainings, klaren Richtlinien für den Umgang mit sensiblen Informationen und regelmäßigen internen Audits kann das Unternehmen seine Informationssicherheit nachhaltig verbessern.
In Kürze:
- IT-Security = technischer Schutz (Firewalls, Antivirensoftware, Netzwerksicherheit).
- Informationssicherheit = ganzheitlicher Ansatz (inkl. Organisation, Prozesse, Menschen).
Was ist ein ISMS?
Ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) ist ein strukturiertes Rahmenwerk, das Unternehmen dabei unterstützt, ihre Informationssicherheit planvoll und dauerhaft zu managen. Im Gegensatz zu einmaligen Einzelmaßnahmen ist ein ISMS ein fortlaufender Prozess, der Risiken identifiziert, Maßnahmen priorisiert und deren Wirksamkeit regelmäßig überprüft.
Ein ISMS schafft Klarheit über Verantwortlichkeiten, stellt sicher, dass Sicherheitsrichtlinien dokumentiert und kommuniziert werden, und sorgt für eine kontinuierliche Verbesserung. Damit wird Informationssicherheit von einer Sammlung punktueller Maßnahmen zu einem strategischen Bestandteil der Unternehmensführung.
In Kürze:
- ISMS = Managementsystem für Informationssicherheit.
- Ziel: systematischer, kontinuierlicher Schutz von Daten und Prozessen.
Standards und Frameworks für KMU
Für KMUs stellt sich die Frage, wie ein ISMS praktisch umgesetzt werden kann. Nicht jedes Unternehmen muss sofort die international anerkannte ISO/IEC 270011 vollständig umsetzen. Gerade für kleinere Betriebe bieten sich schlankere oder modulare Frameworks an.
Das BSI IT-Grundschutz-Kompendium2 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik liefert einen flexiblen Baukasten, aus dem Unternehmen passende Maßnahmen auswählen können. Auch die international bekannten CIS Controls3 stellen einen pragmatischen Einstieg dar, da sie praxisnahe Handlungsempfehlungen geben.
Warum sollten KMUs ein ISMS betreiben?
Ein ISMS hilft KMUs nicht nur, die steigenden gesetzlichen Anforderungen – etwa durch die DSGVO – zu erfüllen. Es schafft auch Vertrauen bei Kunden, Geschäftspartnern und Lieferanten. Unternehmen, die systematisch mit Risiken umgehen, reduzieren die Wahrscheinlichkeit von Sicherheitsvorfällen erheblich und können im Ernstfall schneller reagieren.
Nutzen:
- Erfüllung gesetzlicher Anforderungen.
- Wettbewerbsvorteil durch Vertrauen und Nachweise.
- Reduzierung von Risiken.
- Schnellere Reaktionsfähigkeit bei Vorfällen.
Wie kann ein ISMS für KMUs aufgebaut werden?
Der Aufbau eines ISMS muss nicht mit einem großen Projekt starten. Ein pragmatischer, schrittweiser Ansatz ist für KMUs oft realistischer und führt schneller zu sichtbaren Erfolgen.
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Unterstützung der Geschäftsführung. Informationssicherheit darf nicht als reines IT-Thema behandelt werden, sondern muss auf der Führungsebene verankert sein. Nur wenn die Geschäftsführung die Bedeutung des ISMS klar kommuniziert und Ressourcen bereitstellt, werden die Maßnahmen im Unternehmen nachhaltig akzeptiert.
In einem ersten Schritt sollte eine Bestandsaufnahme erfolgen: Welche Systeme, Daten und Prozesse sind für das Unternehmen kritisch? Bereits hier ist es wichtig, den Geltungsbereich des ISMS (Scoping) festzulegen. Nicht jedes Unternehmen muss sofort alle Abteilungen und Standorte einbeziehen. Oft ist es sinnvoll, zunächst mit einem klar abgegrenzten Bereich – zum Beispiel der IT-Infrastruktur oder bestimmten Fachbereichen – zu beginnen und den Umfang später Schritt für Schritt zu erweitern.
Darüber hinaus braucht es eine klare Festlegung von Verantwortlichkeiten: Wer trägt die Rolle des Informationssicherheitsbeauftragten oder der Koordinatorin? Wer ist für Schulungen zuständig, wer für technische Umsetzung? Ohne definierte Zuständigkeiten besteht die Gefahr, dass Aufgaben im Alltag untergehen.
Im Anschluss folgt die Risikoanalyse, um Bedrohungen – sowohl technischer als auch organisatorischer Art – zu identifizieren. Darauf aufbauend werden Maßnahmen eingeführt, wie z. B. Passwortregeln, Backup-Strategien oder Security-Awareness-Trainings. Wichtig ist auch die Dokumentation, die Richtlinien, Prozesse und Verantwortlichkeiten festhält. Ein ISMS lebt schließlich von der kontinuierlichen Verbesserung: Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen sorgen dafür, dass es nicht bei einer Momentaufnahme bleibt. Häufig spricht man im Zusammenhang der kontinuierlichen Verbesserung vom PDCA-Zyklus, benannt nach den Phasen Plan, Do, Check und Act:
- Planung,
- Umsetzung der Planung bzw. Durchführung des Vorhabens,
- Erfolgskontrolle bzw. Überwachung der Zielerreichung und
- Beseitigung von erkannten Mängeln und Schwächen bzw. Optimierung sowie Verbesserung4
Informationssicherheitsmanagement ist ein kontinuierlicher Prozess, dessen Strategien und Konzepte ständig auf ihre Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit zu überprüfen und bei Bedarf fortzuschreiben sind.5
In Kürze:
- Unterstützung durch die Geschäftsführung sicherstellen.
- Geltungsbereich (Scoping) festlegen.
- Verantwortlichkeiten klar benennen.
- Schrittweise Einführung: Bestand aufnehmen → Risiken analysieren → Maßnahmen umsetzen → dokumentieren → kontinuierlich verbessern.
Ressourcenaufwand für KMUs
Viele KMUs befürchten, dass ein ISMS zu viele Ressourcen bindet. Doch der tatsächliche Aufwand ist überschaubar, wenn ein schlanker Ansatz gewählt wird. In der Regel reicht es, wenn ein bis zwei interne Verantwortliche das Thema betreuen – häufig aus der IT oder der Geschäftsführung. Externe Unterstützung kann vor allem beim Start helfen, etwa bei der Risikoanalyse oder der Erstellung von Richtlinien. Im laufenden Betrieb genügt meist ein monatlicher Aufwand von wenigen Stunden, um das System aktuell zu halten.
Häufige Hürden und Lösungsansätze
In der Praxis begegnen KMUs immer wieder denselben Stolpersteinen. Häufig herrscht die Meinung vor, ein ISMS sei nur etwas für Konzerne. Dem lässt sich mit pragmatischen Standards wie BSI IT-Grundschutz oder CIS Controls begegnen. Ein weiteres Hindernis ist die Befürchtung, das Thema koste zu viel Zeit. Hier hilft der Hinweis, dass die Investition langfristig Arbeitsaufwand und Kosten spart – etwa durch die Vermeidung von Sicherheitsvorfällen.
Auch die Mitarbeitenden sind ein wichtiger Faktor: Ohne sie bleibt jedes ISMS ein Papiertiger. Deshalb sollten Awareness-Trainings und eine klare Kommunikation selbstverständlich sein. Schließlich gilt es noch das Missverständnis auszuräumen, dass Technik allein ausreicht. Ohne organisatorische Regeln und Prozesse bleiben Sicherheitslücken bestehen.
Abschließende Empfehlungen
Ein ISMS ist auch für KMUs realistisch und sinnvoll. Der Schlüssel liegt darin, klein zu starten und Schritt für Schritt zu wachsen. Ein guter Einstieg ist der BSI IT-Grundschutz. Hier kann durch die Basis-Absicherung relativ schnell ein erhöhtes Maß an Sicherheit erreicht werden. Unternehmen, die sich frühzeitig mit Informationssicherheit beschäftigen, profitieren nicht nur von besserem Schutz, sondern auch von gesteigertem Vertrauen am Markt.
Kompetente externe Beratung hilft insbesondere beim Start eines ISMS-Projekts. Sie kann dabei unterstützen, die richtigen Schritte zu planen, Ressourcen effizient einzusetzen und potenzielle Stolpersteine frühzeitig zu erkennen.